
Eine Geschichte von Stefan Bohlander
Ich sah dies Wesen zum ersten Mal nach einer durchzechten Nacht mit meinem Saufkumpan Barney. Ganz wie es unsere Angewohnheit war, hatten wir wesentlich mehr getrunken, als es uns hätte lieb sein dürfen. Wir liefen eine Straße entlang, die sich seltsam vor uns krümmte. Wir waren sehr bemüht, die vorbeieilenden Passanten nicht allzu sehr dadurch aufzuhalten, dass wir im Prinzip den Bürgersteig entlang krabbelten. Dies nahmen wir aber nicht als Zeichen der Demütigung. Ganz im Gegenteil waren wir davon überzeugt, dass echte Kerle ihren Heimweg immer finden würden!
Irgendwann
sagte ich dann etwas total ernstes zu Barney, woraufhin er aufs
Lustigste drauf los lachte. Ich kann mich nicht mehr ersinnen, was genau
es war, jedoch scheint es mir im Nachhinein die Weltformel gewesen zu
sein. Schade, dass ich’s vergessen habe.
An einer Laterne machten wir halt und übergaben uns erst einmal
ordentlich in den Kanal der Bruderschaft der schwarzen Gütersloher.
Als wir wieder halbwegs geradeaus blicken konnten, tat sich der Himmel
auf und ich könnte schwören, auch wenn Barney dies mit aller Vehemenz
des Leugnenden abstreiten wird, dass ich einen Engelschor singen hörte.
Es gab einen kurzen Lichtblitz und irgendetwas fiel ziemlich unsanft zu
Boden, blieb kurz dort liegen, fing an zu weinen und sah mich dann an.
Es war ein liebreizendes Geschöpf, dessen Züge von keinem surrealistischen Maler irgendwie entfremdet hätten werden dürfen.
Liebreizend
die Augen, liebreizend die Stirn, liebreizend das wallende Haar und
nicht minder liebreizend die vollen, schmackhaften Brüste, welche
einladend aus dem wegen der Tränen durchnässten Kleidchen hervorlugten.
Ich schleckte mit meiner Zunge kurz über meine Lippen und sah sie mit
einem Blick an, der meine Wollust nur schwerlich verbergen konnte. „Ich bin Angelina“, stellte sie sich mit der liebreizendsten Stimme vor,
„ich bin Dein Schutzengel und wurde gesandt, um Dich vor den Konsequenzen zu warnen, die Dich heimsuchen werden.“
„Óñ§½Î³“, erwiderte
ich, was in nüchternem Zustand „Engelchen“ entsprochen hätte, so wie
ich sie ab jetzt nennen würde.
„Dein Alkoholkonsum nimmt gefährliche Ausmaße an, also höre auf meine
Stimme. Du musst ihn einschränken, sonst wird Dein Leben in unsanfte
Bahnen gestoßen.“
Dies alles sprach sie mit liebreizender Sanftmut aus, welche sich
ziemlich positiv auf meine wahren Gefühle auswirkten. Meine Hose verbarg
dies jedoch.
Ich wollte sie gerade auf meine altbekannte Art begrüßen und sie mir
ordentlich zur Brust nehmen, als sie genauso verschwand, wie sie
erschienen war.
‘Verdammt,
schon wieder so eine Halluzination !’ war mein Gedanke. So legte ich
mich halt nicht weit von der Laterne in einen Graben und ruhte mich aus.
Irgendwann wurde ich wieder wach und schnupperte frische Morgenluft, die
von dem ätzenden Uringeruch eines mich neugierig beschnupperten Hundes
begleitet wurde. Wedelnd schleckte er mich ab, worauf ich dankend
zurückschleckte. Kurz darauf stellte ich fest, dass die Morgenluft
eigentlich Mittagsluft war, denn es war kurz vor vierzehn Uhr.
Nach einer Schrecksekunde fasste ich mich wieder und ging unbeirrt zu
meinem Arbeitsplatz, an dem mich ein unbefriedigter Chef empfing, weil
ich ihn gerade beim Diktataufnehmen gestört hatte.
Nachdem sich die aufreizende Sekretärin wieder zurecht gezupft hatte, ging ich erst einmal in den Aufenthaltsraum.
Dort
empfing mich Barney, der mir mitteilte, dass er gestern Nacht mit einem
australischen Topmodel geschlafen hätte. Um seine Gefühle nicht zu
verletzen, verschwieg ich ihm, dass sein Topmodel die Straßenlaterne
war, an der wir uns übergeben hatten.
Umgekehrt berichtete ich ihm von meiner Erscheinung, in die ich mich
Hals über Kopf verliebt hatte. Irgendwann machten wir uns dann an die
Arbeit und wurden kurz darauf von unserem Chef geweckt. Scheinbar waren
wir über unseren Frauengeschichten im Aufenthaltsraum eingenickt. Er
empfahl uns, beim nächsten Mal doch bitte Hosen anzuziehen, die den
Begriff „neu“ irgendwann einmal gehört hatten und schloß sich daraufhin
auf ein weiteres Diktat mit der aufreizenden Sekretärin ein.
„Verdammt!“
sagte ich zu Barney, meinem einzigen und besten Freund, „Barney, ich
muss diese Frau wiedersehen! Aber wie soll ich das anstellen?“
Er rülpste kurz, was einen anwesenden Kollegen dazu brachte, kurz nach
Luft zu schnappen, anschließend mit dem Kopf in sein Wirsing-Gemüse zu
fallen und sanft zu entschlafen. Die Putzfrau würde ihn morgen finden,
sich über die heutige Arbeitsmoral beklagen und ihn in die naheliegende
Müllpresse werfen.
Barney beantwortete meine Frage mit einem Satz, der unendlich schlauer
war, als ich es in meinen kühnsten Träumen erwartet hätte.
„Du willst sie wiedersehen? Denk doch mal nach, wie Du sie das erste Mal
gesehen hast. Du warst betrunken. Also was musst Du tun? Dich wieder
betrinken!“
Unglaublich!
Dieser Mann zeigte eine geschärfte Logik, wenn Extremsituationen
auftauchten. Ich erinnerte mich an die Sache mit der Dunkelkammer, als
er den Tipp gab, doch einfach das Licht einzuschalten.
Barney wurde unterschätzt, das wusste ich nun. Ich musste irgendetwas
für ihn tun. Das naheliegendste war, ihn ihn auf ein Bier einzuladen.
In unserer Stamm-Kneipe empfing man uns mit einer Liste im Bibel-Format,
die sich als „Zech-Prell-Archiv“ herausstellte. Wir lenkten den
cholerischen bayrischen Wirt ab und rannten, oder vielmehr stolperten
aus dem Laden. Einige Passanten drehten sich verwundert nach den
Schüssen um, die der Wirt aus seiner Schrotflinte auf uns abfeuerte,
doch nahmen es eigentlich eher gelassen zur Kenntnis.
Barney und ich waren nicht zum ersten Mal unterwegs.
Irgendwo,
fünfzig oder sechzig Meter weiter, gerieten wir dann außer Puste und
beratschlagten kurz, wo wir nun was zu trinken herkriegen könnten. Eine
gute Idee schien uns der Park zu sein, in dem Jugendliche rumlümmelten
und hart arbeitenden Männern wie Barney und mir auf der Tasche lagen.
In einem Anfall von Großmut entschlossen wir uns, ihnen ihren Alkohol,
den sie ja eh nicht trinken durften, abzunehmen und ihn an die
Bedürftigen zu verschenken. Gesagt, getan. Wir wankten auf sie zu,
lenkten sie kurz damit ab, dass wir sie auf ihre Akne aufmerksam machten
und stolperten dann ins nächstliegende Gebüsch. Dort angekommen
überlegten wir, wer denn nun die Bedürftigen wären, schauten uns kurz
tief in die Augen und fingen herzlich an zu lachen. Nachdem
wir dann das erbeutete Dosenbier getrunken hatten, kamen die Flaschen
an die Reihe. Barney, ein wesentlich begabterer Flaschenöffner als ich,
verlor dabei drei seiner Schneidezähne, versicherte mir aber relativ
glaubhaft, dass sie zuvor eh schon gewackelt hatten.
Voller Mitleid prostete ich ihm zu und wenn ich noch fähig zu irgendeiner Gefühlsregung gewesen wäre, hätte ich vielleicht sogar geweint.
Ich
schloss kurz die Augen und als ich sie wieder öffnete, war Barney mit
einer neuen Bekanntschaft beschäftigt, die er für seine ehemalige
Schul-Liebe hielt, für mich aber eher Ähnlichkeit mit einem Astloch
hatte, aus dem ein neugieriges Eichhörnchen seinen Kopf streckte, um
kurz darauf Opfer eines vorzeitigen Samenergusses zu werden. Barney
schrie kurz auf und fiel dann in einen komatösen Schlaf. Nein,
eigentlich fiel er nur ins Koma.
Ich hingegen fiel wieder in Entzücken, denn zu meiner Linken befand sich
plötzlich Angelina und lächelte mir liebreizend zu. Ich weiß nicht
warum, aber ich musste plötzlich an ein Astloch denken.
„Allllo!“ begrüßte ich sie freundlich und zwinkerte ihr lüstern zu.
„Hallo, ich bin Angelina, Dein Schutzengel. Ich bin hier, um Dich vor
den Gefahren Deines Alkoholkonsums zu warnen. Bald werden die Dinge
verschwimmen und Du wirst sie doppelt sehen oder seltsame
Halluzinationen haben. Denke immer daran, dass es gefährlich ist, in
einem solchen Zustand Auto zu fahren oder eine wichtige Position inne zu
haben.“
„Aprpo
Possision. Wrum legssu Disch nischin?“ fragte ich sie freundlich.
Entrüstet schüttelte sie ihren Goldkopf und dieses Lockenwunder brachte
mein Blut zum Wallen. Und dies war nicht das Einzige, was pochte. „He“, nuschelte ich sie an, „weißu eigentlich, dassu verdammt hüsch bibscht, hm?“ Sie verharrte kurz in ihrer lehrerhaften Position, überlegte wohl, was sie als nächstes sagen würde und lächelte dann kurz.
Ha! Hatte ich wohl einen guten Punkt in ihr getroffen. Ich hoffte, es würde nicht der Einzige bleiben. „Sa ma, was machtn Ihr Engelchen so den gansen Tag ?“ „Wir
sind Abgesandte Gottes, des Allmächtigen und sind damit beauftragt,
verlorene Seelen auf den rechten Weg zu bringen, weil sie ihren eigenen
verlassen haben. Und Deiner entwickelt sich extrem in eine Richtung, in
der er nicht verlaufen sollte.“ „Aber, aber“, warf ich ein, „isch habe einen festen Arbeitsplats“, auf den den Boden anrülpsenden Barney zeigend, „habe gute Freunde und auch sonst verdammd viel zu bieten...“ Hier stieß ich mit meiner Zunge von innen gegen meine rechte Wange, um anzudeuten, was es denn wäre, was ich zu bieten hatte.
Sie senkte dermaßen kokett ihr liebreizendes Haupt, dass es mir beinahe die Hose sprengte.
"Willst
Du mit mir... gehn ?" stammelte ich, begleitet von ein wenig Geifer.
"Da ich auserkoren wurde, Dir den Weg zu weisen, werde ich Dir
selbstverständlich gerne Gesellschaft leisten", sprach's und begann,
über dem Boden neben mir her zu schweben. Wir liefen ein wenig und
unterhielten uns über ziemlich wichtige Dinge, wie mir schien. Jedoch
redeten wir wohl aneinander vorbei, denn als wir an dem Hotel ankamen,
von dem ich gesprochen hatte, schwebte sie einfach weiter.
Wir
kamen dann nach einem, zumindest für mich, harten Fußmarsch an meiner
Wohnung an. Wow, das war wesentlich mehr, als ich erwartet hatte.
"He, Schätzschen, Du gehs ja mal ran, Du..." zwinkerte ich ihr zu.
"Wenn man beginnen will, in seinem Leben aufzuräumen, sollte man das am
besten mit den Dingen tun, die einem am wichtigsten sind, oder an den
Orten, an denen man sich am häufigsten aufhält."
Ich wollte ihren Redefluss jetzt nicht damit unterbrechen, dass Barney
und ich gerade vorhin von diesem häufig besuchten Ort mit einer
Schrotflinte verjagt wurden, so sprach sie also weiter.
"Bitte öffne diese Tür, lass mich hinein und ich sage Dir, wo wir
beginnen."
"Ja, Baby, mein Tor steht offen..."
Dies entsprach sogar der Wahrheit, denn meine Tür stand offen.
Ich
wohnte in einem Viertel, wo man es mit Besitz nicht allzu genau nahm
und eine lockere Nachbarschaft vorherrschte. Man ging in die Wohnung,
die am nächsten war. Ging, wann man wollte, aß von einem Teller, der
halbwegs gespült aussah und benutzte Toiletten noch gemeinsam. Nach
einer Weile sah das eh alles gleich aus. Ja, und wenn doch mal jemand
einen Fehler machte, so konnte man immer noch vom Notstandsrecht
Gebrauch machen. So hatte es den Typ ziemlich übel erwischt, der in dem
Haus, von dem nur noch der erste Teil der Nummer erhalten war, zwischen
der dritten und vierten Etage auf der Fensterbank direkt neben dem
Gummibaum mit den leicht gelblichen Blättern lag.
Es
war fast schon so etwas wie damals in den Sechzigern, als freie Liebe
herrschte und jeder von Kommunen sprach.
Mit der Melodie von "Eve of Destruction" auf den Lippen stieß ich die
Tür auf. Wieder wurde ich an frühere Zeiten erinnert, als man ehrwürdige
Bürger Gammler und Provos schimpfte. Nein, das waren wahrlich keine
rosigen Zeiten für mich gewesen. Ständig von gut bürgerlichen Leuten
bespuckt und beschimpft zu werden... ich konnte dies irgendwann nicht
mehr aushalten, diesem Druck der spießbürgerlichen Welt mit ihren feinen
Konventionen, denen man sich gefälligst zu unterwerfen hatte.
Nein, ich hatte kein schönes Leben, ich war schon immer der Außenseiter, mit mir wollte noch niemals einer meiner Altersgenossen spielen.
Tränen
schossen mir in die Augen, als ich die Vergangenheit Revue passieren
ließ und plötzlich bekam ich eine leise Ahnung davon, was mit mir schief
gelaufen war, ich spürte plötzlich den Drang, verlorenen Träumen
hinterher zu laufen, ich spürte urplötzlich die Desillusion, die mich
irgendwann übermächtigt hatte, so dass ich keinerlei Chance zu meiner
eigenen Rehabilitation hatte. Ich... ich... hatte plötzlich den Drang,
mein Leben umkrempeln zu wollen. Weg mit meiner Hippie-Mentalität und
her mit dem Erfolg! Ich wurde daran erinnert, dass es mehr gab, als in
verlausten Wohnungen zu hausen, umgeben von stets schimpfenden Nachbarn.
Ich wurde daran erinnert, dass ein Leben einen Sinn haben musste,
wollte man nicht innerlich lange vor seinem körperlichen Verfall
sterben.
Und
ich wurde daran erinnert, dass ich erst 1975 geboren wurde.
Genauer betrachtet konnte es also gar nicht mein Leben gewesen sein, von
dem ich gerade gesprochen hatte. Ja, ich erinnerte mich tatsächlch,
dass dies die Geschichte des Typs aus dem Wohnwagen am Ende der Straße
war, der seinen Hund immer mit Koteletts aus der naheliegenden
Pferdemetzgerei fütterte. Ein ziemlich unsympathischer Kerl, der mal mit
Stacheldraht nach mir geworfen hatte, weil ich ihn auf eine Wunde
ansprach, die seine linke Wange zierte. Seiner tränentreibenden Antwort,
er hätte sie sich in Vietnam redlich verdient, warf ich entgegen, dass
er doch ein Deutscher war. Eigentlich konnte ich seine langen Haare noch
nie ausstehen, ebenso wenig wie seine ungepflegte Kleidung, die schon
ebenso viel Urin wie Staub abgekriegt hatte. Nein, ich mochte ihn nicht.
Elender Provo.
Nun
waren wir also endgültig in meiner Wohnung angekommen und ich bat sie,
doch bitte Platz zu nehmen.
Tatsächlich tat sie das auch, schaute sich ein wenig um und schlug
einladend die Beine übereinander. Dreist setzte ich mich neben sie und
ich könnte verdammt noch mal schwören, dass sie mir ein Petzauge zuwarf.
Sie würde zwar anschließend sagen, dass sie nur ganz normal gezwinkert
hatte, doch - was wusste sie schon ?
Also tat ich, wie wohl jeder Mann gehandelt hätte und machte den ersten
richtigen Annäherungsversuch. Sanft, für meine Verhältnisse, umfassten
meine Hände ihre wunderbar zarten Brüste und begannen sie zu massieren,
was Angelina dazu brachte, zu erröten. Ach, Rot! Die Farbe der Liebe! Ich
lechzte lüstern und führte sie in mein komfortables Bettchen, welches
uns ungemacht und mit einigen Flecken versehen, erwartete.
Tja,
am nächsten Morgen war sie verschwunden und ich dachte schon, ich hätte
ähnliche Bekanntschaften gemacht wie Barney, doch einige Zeit darauf
fiel sie mir wieder vor die Füße, gerade als ich einmal mehr oder
weniger sanft aus meiner Stammwirtschaft verjagt wurde.
Sie schien mir nun weniger gepflegt als bei den ersten Begegnungen, doch
da ich ein gutes Herz besaß, nahm ich sie wieder auf und es dauerte
auch nicht lange und sie war mir total willig. Was hätte sie auch tun
sollen, nachdem man sie aus dem Himmel gejagt hatte? Sie konnte ja
wirklich froh sein, dass sie mich überhaupt kennen gelernt hatte, so
hatte sie wenigstens jemanden, der sich ihrer annahm.
Ich tat es auch gerne und das erste, was ich sie hieß, war meine Wohnung
zu reinigen, dies musste endlich mal passieren.
Ja, hatte sie nicht vor einiger Zeit damit geprahlt, mein Leben in den Griff kriegen zu wollen?
Na,
das hatte sie jetzt davon.
Wie es natürlich kommen musste, fing sie irgendwann an zu meckern und zu
jammern; erzählte mir, wie schön ihr Engel-Leben doch gewesen war und
fing an, mir Vorwürfe zu machen, ich hätte ihr Leben verpfuscht.
„Schäschen“, lallte ich sie liebevoll an, „wennu wieder rauf wills...
geh doch !“
Ich hatte irgendwann aufgehört, ihr zuzuhören, weil sie eh immer nur
davon sprach, das sie mir doch helfen wollte und nur mein bestes und so
weiter und so fort. Entgegnen konnte ich ihr ja immer noch mit dem
Argument, dass sie ja gerade das Beste für mich machte, indem sie hier
mal ordentlich durchwischte. So fand ich auch endlich meine Zahnbürste
wieder.
Auf jeden Fall meinte sie irgendetwas in der Art, das sie jetzt wohl ein
gefallener Engel wäre und dergestalt nicht mehr dazu fähig, gen Himmel
zu fahren.
„Pesch“, meinte ich, „dann räum halt hier auf.“
Ja,
Liebe ist schon etwas seltsames. Irgendwie bekommt man immer etwas
anderes, als man es sich vorgestellt hat, oder ? Man macht sich
Hoffnungen, malt sich Situationen aus, wiegelt hin, wiegelt her und was
bleibt am Ende ?
Etwas anderes.
Ich zum Beispiel hatte mir das Schönste mit Angelina ausgerechnet. Ich
wollte romantische Gelüste und jemanden an meiner Seite, der wusste, wo
es langgeht und mich und ihn in die Hand nahm und mich mit weisen
Entscheidungen in die richtige Richtung führte.
Da stand sie nun, die Stimme meiner Vernunft. Schmutzige Haare, vergilbte Lockenwickler und halb verrauchte Zigaretten im Mundwinkel.
Irgendwann
hatte sie mal laut und deutlich zu mir gesprochen; da hatte ich noch an
sie geglaubt. Da hatte sie noch was zu sagen und redete nicht ständig
über vergangene Chancen und nie mehr wiederkehrende Gelegenheiten.
Erbarmungslos und mit meiner Geduld spielend hatte sie versucht, mir zu
helfen, doch hatte es nicht geschafft und nun war sie versucht, die
ganze Schuld mir in die Schuhe zu schieben.
Vorbei also die Zeiten, in denen sie wirklich noch etwas zu sagen hatte;
als man noch auf sie gehört hätte, weil sie zu dieser Zeit noch
Glaubwürdigkeit besaß. Damals konnte sie noch laute und deutliche
Artikulationen von sich geben, nicht dieses teilweise Grunzen und
Rülpsen, welches ihr nun meist entfuhr. Doch jetzt... nein, großartige
Liebe konnte ich nicht mehr empfinden, als ich in diese verlebten Augen
schaute, blutunterlaufen und rot wegen Schlafmangel. Immerhin konnte ich
ihr zugute halten, dass ihre Alkoholfahne daher rührte, da ich sie vor
einiger Zeit geküsst hatte.
Ich konnte ihr nur noch bedauernd mit meiner Flasche Bier zuprosten.
(C) Stefan.Bohlander@gmx.de
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